Katalog Ulm

texts

Sound Piece for Ligeti, Warum Kunst / Why Art, group exhibition catalogue, Museum Ulm & kunsthalle weishaupt  de/en, 256 Seiten, ISBN: 978-3-928738-60-6, 2018     order here

text von Dr. Stefanie Dathe

Für das Sound Piece for Ligeti (Apparitions) nimmt Evgenija Wassilew die fast unhörbaren Klänge winziger, in Glaszylindern geschlüpfter Fruchtfliegen unterschiedlichster Entwicklungsstadien auf, ihre Bewegungen und Flügelschläge bishin zum Ausschwärmen der Insekten aus den Gläsern hinaus. Die Aufnahmen werden für ein Klangstück verwendet, das mit den mikropolyphonen Klangclustern in György Sándor Ligetis 1958/59 komponierten Werk „Apparitions“ (Erscheinungen) in Dialog gesetzt wird.

Im Resonanzraum der Gläser wird der Klang der Flügel mit dem Spiel des Orchesters
 verknüpft, das von einem an der Wand befestigten Miniaturlautsprecher wiedergegeben
 wird. Während die so verkleinerte Orchestermusik eher hintergründig erscheint, treten die 
Fruchtfliegenklänge mal unaufdringlich, mal überwältigend auf, um wie flirrende
 Klangflächen mit der ursprünglichen Komposition Ligetis zu verschmelzen.

Parallel zu
diesem Klangdialog werden Miniaturdrucke der handschriftlichen Studienpartitur Ligetis 
gezeigt, die durch Spuren der Insekten überzeichnet wurden. Die Fruchtfliegen nahmen 
mit Lebensmittelfarbe angereicherte Nahrung auf, um so mithilfe von Schablonen 
definierte Klangflächen auf der Notenschrift durch winzige Punkte ihrer 
Körperflüssigkeiten zu ergänzen. Das Werk entstand in Anlehnung an eine frühe Vision 
Ligetis, in welcher ihm Musik als wandelnde, statische Klangfläche erschien, als
 Formgeschehen und Zustand, welche seine leidenschaftliche Hinwendung für die mikropolyphone Kompositionstechnik begründete.